Draußen sein (Love how you can pee on anything) #5.4

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An dem, was die Leute so machen beim Sex oder zu machen vorschlagen, fällt mir auf, wie hoch die Bereitwilligkeit ist, sich in die Form von Sachen zu fügen. Konsensuelle Versachlichung scheint eine derzeit verbreitete Strategie dafür, Sex anzugehen: Ich werde diese Form annehmen, sofern du deine Anwesenheit zwischen dieser und dieser Form hältst, okay? So trockenherzig das die Romantik (die Erwartung der Begegnung) ausspart, zielt dieses Festlegen vielleicht darauf, das wichtigste Moment der romantischen Begegnung durch Outsourcing zu retten: die Evidenz der Berührung; die Bestätigung einer Gegenwart, in der zwei getrennt vor sich hin weltende, in ihr jeweiliges Finden und Suchen verlorene Subjekte allen Irrungen zum Trotz doch eins auf das andere stoßen – oder exakter (denn um Exaktheit geht es hier): in der der physische Kontakt ihrer Körper und dieser Stoß, der das Subjekt ereilt, übereinstimmen.

Die Psychoanalyse kennt das Problem schon länger. Béla Grunberger formuliert es in seinen Studien zum Narzissmus aus der angestammten männlichen Perspektive der Disziplin als die Aufgabe, Phallus (die Vielfalt der Ausdehnungen und Gestaltungen meiner symbolisch-imaginären Körperlichkeit, mit dem Realen als Klaffendes: hier, hier…da…) und Penis (das Partialobjekt) zur Deckung zu bringen.[1] Dass dies gelingt, qualifiziert den Akt in der strengen psychoanalytischen Ethik investierter Subjektivität mit sozialer Rendite als einen sexuellen: Weder Rummachen noch geile Phantasien sind für sich genommen sexuell, auch dann nicht, wenn ich und noch wer davon kommen. Erst wo in der Aktualität eines körperlichen Hierseins die Wellenform meines erotischen Selbst kollabiert und mein Lustschrei (oder ‑schweigen) die Unausweichlichkeit dieses Augenblicks zum Ausdruck bringt, in dem ich Partikel bin, definitiv lokalisiert in diesem Hier-bei-dir, aus dem für diesmal nichts von mir mehr herauskommt – erst dann verdient die Veranstaltung das Prädikat „sexuell“.

Das definiert materielle Bedingungen des Romantischen. Und so wenig uns (jedenfalls mir) das behagt, behält dieser Diskurs, der auf der Nichtseparation von Sex und romantischer Liebe insistiert, gemäß seinem Standard von Verantwortung gegen narzisstische Einwände Recht: Ohne die so beschriebene Aktualität gibt es keine Romantik beim Sex und keinen Sex für die Romantik.

Der reaktionäre Charakter dieser Ethik steht dabei eher quer zu Gender-Experimenten, als sie abzuweisen. In einer psychoanalytischen Familienaufstellung spielte Grunberger den heterosexuellen älteren Bruder Bersanis. An die Jugend, die mit allerlei neuen symbolisch-imaginären Konstrukten herumspielt und ein reiches Blatt von Körperbildern auf der Hand hat, richtet sein Freudianismus väterlich die Frage: Wie schafft ihr es aus diesen queeren Figurationen in eine Begegnung, in der eure Körper einander erkennen? Wie bewahrheitet im Sex das Fleisch mit Nerven und Muskeln, Blut und Sekret die Form jener Vorstellungen, in denen ihr euch gern wiedererkennt? Offenbar nicht in einem Bekenntnis (das prominenteste abendländische Modell für die Performativität des Sex-Habens als Liebesakt). Wie dann?

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Und hier käme die Sache ins Spiel. Denn eine der Antworten darauf ähnelt dem, was Grunberger zu sadomasochistischen Praktiken schreibt, die für ihn zum Komplex des Narzisstischen zählen. Vor dem 90er-Jahre-Mainstreaming von SM betont er bereits das Sicherheitsdispositiv eines Fetischismus, der sich aus dem Psychodynamischen ins Objektiv-Mechanische entpackt.

Fetischisierung im Sinne subjektiver erotischer Besetzung bestimmter Details am Körper des anderen, die unter Umständen von diesem ablösbar werden und ihn sogar ersetzen können, sind der Psychoanalyse vertraut als Strategie, die Aufgabe des Sexuellen zu ‚lösen‘ (die wie die menschliche Existenz überhaupt Unmögliches verlangt, weshalb jeder ‚Lösung‘ ein Zug eignet, das Problem zu umgehen): Zur Erleichterung der Applizierung von Phallus auf Penis ziehe ich entweder den Körper des anderen auf bspw. den Fuß zusammen, den dann der Schuh noch handhabbarer vertritt; oder ich fokussiere am eigenen Körper erogene Zonen, die aufmerksamkeitstechnisch leichter unter Kontrolle zu halten sind, und werde geil, wenn man mich in der Ohrmuschel leckt, in den Hals beißt oder am Hodensack krault. Die Fetischisierung stellt hier eine psychodynamische Leistung dar, eine Vereinfachung der Stellung wie durch Figurenabtausch beim Schach, die meine Aufmerksamkeit aus eigener Kraft erbringt, so dass das Subjektive in der Objektfixierung erstarkt (mehr Ich, da weniger Welt an der Kontaktfläche zum anderen).

Dagegen tendiert ein werktätiger Fetischismus dazu, diese Fixierungen in die Außenwelt zu bauen. Das Subjekt des Begehrens kooperiert mit dem Kompetenzsubjekt des homo faber. Es gibt einer bestimmten Zurichtung von Aufmerksamkeit die Gestalt eines Gestells. Bastelei im Hobbykeller oder der Kauf professioneller Anfertigungen gestatten, dieses Gestell tatsächlich hinzustellen, so dass ich darin Platz nehmen, mich mit meinem Erleben hineinlegen, ‑setzen oder ‑hängen kann. Während ich den bewussten Teil meines Gefallens dem Stoff zuschreibe („hautenges Rubber ist halt geil“) oder ins Spielerische kindlicher Perversität abtue („Toys“), sehen solche Stellagen es auf Sicherheit in jener prekären Zone ab, wo Sex den materiellen Körper, den lebenden Fleischklumpen, der ich bin, über ein flimmerndes Bild schiebt, das mein erotisches Werden im Moment eines Aufschäumens, einer Selbstermächtigung des Virtuellen zeigt.

Die Gefahr der Erotik (des entwurzelten, frei flottierenden ‚Phallischen‘) besteht ja darin, diesen Fleischklumpen im Rausch der Bilder zurückzulassen, ihn über den Potenzierungen im Werden aus dem Sinn zu verlieren. Dafür begrüßte Bataille sie – literarisch, denn die Zeit literarischen Erzählens kann beliebig oft, konsequenzlos, besinnungslos durch den Augenblick der Überschreitung hindurchgehen, während der Vollzug partnerschaftlichen Geschlechtsverkehrs einer Dauer Respekt zollen muss, die den vergessenen Rest beharrlich wieder aufs Bett setzt: Hier, dieses wabbelnde, schlotternde, knochige, picklige Etwas…soll was? Dabei, das zu klären, hilft es, wenn der besagte Körper in einer festen Gummihülle steckt, wenn ein Korsett den Rumpf stützt, enge Stiefel die Waden einschnüren, Seile Glieder in ungewohnten Positionen festhalten, eine Ledermaske das Gesicht mit in den Schädel zieht. Fetish gear erinnert das Subjekt ständig an die Konturen seiner Trägersubstanz, versorgt die Abstraktion eines Umrisses mit Reizbeweisen, leitet Ausschwemmendes in die definierte Form zurück (wie viel unmissverständlicher adressiert, in einen Trichter an [d]einem Mund zu pissen als in die Gegend!).

Auch Schläge, Klammern, Wachstropfen sollen beim partnerschaftlichen SM vor allem sagen: Ich, du, hier jetzt intensiv Kontakt zwischen uns. Die SM-Szene, durchgestellt und durchgemacht, zimmert eine Anordnung von Positionen, die fast unterhalb des Rollenspiels bleibt, den Körpern selbst den Löwenanteil der Verkörperung abnimmt. Die im Objektiven angenietete Asymmetrie ihrer Einstellungen dient dazu, das weitaus radikalere Unverhältnis zwischen dem, was am Lust erfahrenden Subjekt dem andren zugewandt ist, und dem sich darin schlechthin Abwendenden zu bändigen – die körperliche Berührung aus ihrer Untiefe, der Zerfahrenheit ihres Erfahrens, der heillosen Unverantwortlichkeit des Womit-worauf-Reagierens herauszuholen und sie an einer soliden Auftrefffläche zu orten. Tief (empfunden) ist dann das da drunter.

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Mit dem günstigen Nebeneffekt, dass dieser Sex, der die Begegnung der Subjekte im Vergegenständigten befestigt, die elementare Bedingung für Verantwortbarkeit erfüllt. Der Einsatz von Objekten weist zugleich das, was mit ihnen getan wird, als Handlungen aus. Die scharf umrissene Form des Hergestellten, das ausgeschnitten und zusammengesetzt ist und dessen raue stoffliche Kante eine exakt gedachte Grenze repräsentiert, bürgt ein gutes Stück weit für die Form seines Gebrauchs. Es ist lange nicht so knifflig, vor dem Gerichtshof der praktischen Vernunft zu klären, wie hart ein Dildo war, welchen Umfang er im Moment des Eindringens hatte – und was Eindringen also in diesem Fall hieß. Darum sachdienlich, möglichst viel vom Körper in etwas dieser Klarheit Analoges zu verwandeln.

Wir reden über Sex in Einheiten von Handlungen, wenn wir einen ethischen Diskurs führen, weil abendländische Ethik die Abtrennung integraler, dem Subjekt im Ganzen zurechenbarer Handlungen verlangt. Woran ich beteiligt war, geschah zu dem Teil, den ich getan habe, mit oder gegen meinen Willen (oder im fahrlässigen Versäumnis, es zu wollen oder nicht zu wollen). Unsere Tradition, auf die Gesetzestexte weltweit sich berufen, kennt so wenig eine Ethik der Bewegung wie eine der Handlungsmodalitäten: Ich kann jemanden dafür verklagen, dass er mich gewaltsam, meinem Nein und meiner Gegenwehr zum Trotz penetriert hat, aber nicht dafür, dass er mich falsch penetriert hat. Die Tantra tragende Annahme, es gebe so etwas wie ein ethos der körperlichen Vollzüge, ein richtiges Atmen, einen angemessenen Wechsel der Spannung und Entspannung von Muskeln, von Festhalten und Loslassen, Anschieben und Abklingen, passt in die Logik, die erlaubte von verbotenen Handlungen scheidet, nicht hinein.

SM hat (davon zeugen schon Sacher-Masochs Romane) eine grundsätzlich juridische Einstellung zur Realität. Der Vertrag ist das Instrument, um die Verhältnisse zu regeln, wörtlich wie übertragenen Sinnes. Die Unterscheidung zwischen Menschen und Dingen, lebenden und unbelebten Körpern, Natürlichem und Künstlichem erlangt dabei nirgends Geltungsmacht, weil die juristische Fiktion, der es um Festlegung geht, alles von der Eventualität seiner Bewegung her anspricht. Für den Autor des Vertrages besteht die Welt aus lauter animierten Entitäten, jede mit der Tendenz, sich von dem Ort, an dem man sie vorfindet und begrifflich fixiert, wegzubewegen, anderswo, in unabgedeckten Zusammenhängen aufzutauchen. Die Abfassung des Vertragstextes, Paragraph für Paragraph, bannt diese Welt (weshalb der Vertragstext von sich aus zu keinem Ende kommt, nur einstweilig einhält in seinem Bändigungswerk, und masochistisches Begehren weiß sich mit diesem Endlosen zu verbünden, indem es den perfekten, allumfassenden Vertrag zu seinem Phantasma macht: der ‚Sklave‘ mahnt den ‚Herren‘ unentwegt an Regelungen, die noch fehlen, verbliebene Unklarheiten…). Im gleichsam rückhaltlos Bürokratischen dieses Durchgehens arbeitet ein Animismus mit dem Projekt einer großen Paralyse zusammen.

Grunberger folgt nicht den erotischen Selbstdarstellungen sadomasochistischen Begehrens, die das Peinigen und Gepeinigtwerden wie eine Intensivierung leidenschaftlicher Brutalität aussehen lassen. Er versteht SM nicht von der Gewalt her, sondern erkennt im Fetischismus von SM einen Formalismus: Ein verunsichertes Subjekt, das sich kaum mehr zutraut, die Form des sexuellen Aktes performativ, in der Psychodynamik des Vollziehens zu vollbringen, kehrt in der Rolle des Architekten, des Bauzeichners, des Ingenieurs, des Monteurs zurück an den Rand der Szene, wo der Akt stattfinden soll. Mithilfe dieser production skills, dieser Kompetenzen des Herstellens, erschafft es eine materielle Realität, die so bis ins Detail den Charakter des Erschaffenen hat, dass man sie für die Materialisierung eines Vertrages nehmen kann.

Die Explikation rührt beim SM nicht unbedingt daher, dass Menschen besonders gefährliche Praktiken wagen, deren Risiko eine Versicherung notwendig macht (eher trägt umgekehrt das Sich-Versichern dazu bei, den Glauben an ein Risiko zu befeuern). Die Fetischisierung ist hier genuin explikativ. Im Auseinandernehmen und Zusammensetzen jenes Vollziehens, dessen Innigkeit das Wort „Sex“ markiert, ohne die mindeste Beschreibung davon zu liefern, liegt der Realismus eines Genießens, das sich dem Erleben von außen nähert, im Umweg über Bestimmungen architektonisch-juridischen Typs. Ein Individuum sei „eine Institution in einem Fall“, pointierte Arnold Gehlen eine bürgerliche Normalität, in der die Gestelle des Zusammenlebens ihre Entlastungsmaßnahmen bis ins Persönlichste hinein treiben.[2] SM setzt für den Sex dieses Prinzip in Tat um. Eben deshalb drängt sein Zugang zur körperlichen Wirklichkeit sich als Modell auf, wo es darum geht, eine Sexualethik zu formulieren, die nicht das Verhältnis des Einzelnen zu einer Welt (‚die Gesellschaft‘) berät, sondern das Aufeinandertreffen zweier oder mehrerer Menschen: Erstmal jede/n institutionalisieren, die Aufeinandertreffenden dingfest machen.

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Queere Versachlichungen von Sex partizipieren an dieser Kultur des Bestimmens. Daher das strukturell Spießige der Diskurse, sobald sie von Entgrenzungsphantasien zu konkreten Vorschlägen für die Praxis übergehen. Was beim SM zu einer schier endlos streckbaren Vorfreude beiträgt, droht hier im Drögen stecken zu bleiben.

Eben noch wirkte so Vieles zum Möglichen so viel ausdrücklicher zugelassen. Das psychoanalytische Ding mit Phallus und Partialobjekt wurde im Cyborg quasi umgestülpt: ein beliebiges Glied, Biopolymer oder Kunststoff, kriegte einen Aufkleber, auf dem Phallus draufstand, und der Kleber war dafür gemacht, nur eine gewisse Zeit unter Reibung zu halten. Stimmen (selbst was sie sagten), Gerüche, Glibschigkeiten schienen zurückzufinden in die visuellen Designs des Begehrenswerten. Haar wuchs nach. Avatar hieß Zauberlehrling. Nerds trauten sich. Drag rutschte eine Schicht tiefer, dann noch eine, und die Perversionen zogen ihrerseits Kostüme über, arrangierten sich zu einem Karneval der kinks. Alles ein bisschen uminterpretiert. Alles loser, inkontinenter, ohne den großen neurotischen Schließmuskelsieg oder das tragische Schließmuskelversagen (‚das Offene…‘). Alles schwankend, gut unterwegs. Und auf einmal soll man an der Schleuse zum Realen die Taschen ausleeren. Wird durchsucht und durchleuchet, stur nach Liste abgefragt, ob man nicht eins dieser doch sehr zahlreichen verbotenen Motive dabei hat. No lighters in the sky! Und sofort der Aggressionsreflex: Wer will mir hier mein Feuerzeug wegnehmen! Die Hand ballt sich um das beanstandete Teil in der Tasche zur Faust.

Muss das so sein? Warum ist das so? Die Verlegenheit um ein anderes als sicherheitsdienstliches, sich mit den staatlichen und gesellschaftlichen Autoritäten kurzschließendes Bestimmen ereilt queere Ethik dort, wo sie eine Begegnung beaufsichtigt, zu der queeres Phantasieren eigentlich keinen Anlass mehr gibt. Queerer Erotik die Verwaltung des Ereignisses zur Auflage zu machen, von dem Erzheten wie Alain Badiou unermüdlich ausrufen, es sei die eine und einzige Wahrheit der Liebe (und alles sonst sowieso minderwertig), ist so, als ob man anarchische Bewegungen in die Form einer Partei presst (wozu Badiou ebenfalls drängt). Liebe wie Politik. Mitten im Driften wird das Subjekt angebrüllt: „Konzentrier dich gefälligst!“

Dabei wäre queer sex eben die erotische Sozialisierung der Konzentrationsschwäche. Das Bei-Mehrerem weder Akkumulation noch heroische Überwindung der Zwei, sondern Einverständnis in die Frivolität, in das ursprünglich Dissoziierte meiner Aufmerksamkeit. In Polyamorie gäbe die Welt verständnisvoll Antwort auf eine Zerstreuung, aus der das Subjekt im Sex und in der Liebe niemals herauskommt, derentwegen es die Begegnung teils verpasst, vom fremden oder eigenen Körper abperlt. Polyamorie hieße: es ist okay, den schiefen Ellipsen der Reibungen auch dort nachzugehen, wo sie über den Rand des einen Körpers in Kontaktzonen zu anderen gelangen. Heimlich verwechseln durfte das Subjekt schon immer; nun aber gibt die Wirklichkeit zu, dass die Verwechslungen in sie hineingehören, und das Heimliche gleicht eher einem schattigen Winkel im allseits zugänglichen, von Vielen auf ihren Wegen durchquerten Draußen als dem Tresor namens Seele. Körper wohnen einander bei (diese altmodische Formulierung ergibt überraschend wörtlichen Sinn), indem einer in der Unaufmerksamkeit, am Aufmerksamkeitsrand der anderen weilt und dort etwas tut, das man obszön nennen würde, spielte es sich im gemeinsamen Zentrum ihrer Aufmerksamkeiten ab. Polyamorie vermeidet dieses gemeinsame Zentrum. Darin ist sie von einer Diskretion, einer Zurückhaltung im Begegnen selbst, die ihr Liebemachen von den überkommenen Phantasmen des Viel(e)-Fickens unterscheidet. Kein vervielfältigtes, sondern verteiltes Lieben.

Was klassische Psychoanalyse der queeren Praxis des Sex- und Liebemachens ebenso vorhält wie ein Pessimismus im Namen der verwahrlosenden, vom Liberalen verdorbenen Erotik, eben das sollte sie bejahen: dass sie das große Erkennen der Körper umschifft, das Romantische, das sich darin zutragen sollte, ins Weltmeer kippt, darauf vertraut, es werde genug davon herumschwimmen, um mit unseren Körpern jeweils etwas davon aufzufischen. Die ethische Lust am Bestimmen (daran, sich mehr und mehr Kategorien auszudenken wie Kinder, die eine Speisekarte um Wunschgerichte abseits des gutes Geschmackes erweitern) könnte dem queeren Projekt darin helfen, dass sie den dahintreibenden Fickenden an der Oberfläche der Gegenwart eine horizontweite Anerkennungsschicht aufzieht, einen dünnen, aber ungemein schmierigen Ölteppich auf dem Ozean der tiefen Gefühle. Biopolitisches Bevölkerungsmanagement arbeitet, wie Foucault gezeigt hat, mit dem Paradigma der Hygiene. Queere Sexpolitik müsste darauf aus sein, die Realität besser zu verdrecken. Der bessere Dreck wäre ihr moralischer Positivwert.

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Schwarzes Leder, schwarzer Lack, schwarzes Gummi…

Schwarze Ölschicht auf dem Meer.

#6

 

[1] S. Béla Grunberger, Narziß und Anubis. Die Psychoanalyse jenseits der Triebtheorie, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1988, 2 Bde.

[2] Arnold Gehlen, Die Seele im technischen Zeitalter. Sozialpsychologische Probleme in der industriellen Gesellschaft, Reinbek: Rowohlt 1957, S. 118.

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